SPeed - Sektorenübergreifende Pflegeakte zur effizienten und effektiven Pflegedokumentation und Versorgung
Projektbeschreibung:
Das Projekt SPeed – „Sektorenübergreifende Pflegeakte zur effizienten
und effektiven Pflegedokumentation und Versorgung“ ermöglicht eine bessere intersektorale Zusammenarbeit. Durch die Vernetzung von stationären Einrichtungen, wie
Alten- und Pflegeheime, mit niedergelassenen Ärzten soll die ärztliche Versorgung von pflegebedürftigen Patienten verbessert werden. Das Projekt wird gefördert durch das Bayerische
Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.
Mit Hilfe der digitalen Pflegedokumentation können sich an der Pflege beteiligte Ärzte regelmäßig über den Gesundheitszustand und die Medikation ihrer stationär betreuten Patienten informieren
und den Pflegekräften Hinweise zur Versorgung geben. So kann einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes vorgebeugt, eine Erkrankung vermieden oder die Verschreibung und Vergabe von
Medikamenten auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. Speziell geschulte Pflegekräfte eines Pflegeheimes können einen pflegebedürftigen Patienten dem behandelnden Arzt unter
(telemedizinischer) Aufsicht und Anleitung vorstellen.
Hausärzte sind die Ärzte mit dem intensivsten persönlichen Kontakt zum pflegebedürftigen Patienten und zu den Pflegekräften. Ein Zugang der behandelnden Ärzte zur digitalen Pflegedokumentation
des pflegebedürftigen Patienten ist geeignet, die medizinische Versorgungsqualität zu erhöhen. Es ist neben dem Informationszugang zu Vitaldaten und der Pflegedokumentation (beinhaltet auch die
Aufnahmen z.B. von Wunden, Sturzprotokollen) eine kontinuierliche intersektorale Kommunikation der Hausärzte mit den Pflegekräften und Fachärzten über den Verlauf der Patientenversorgung nach dem
Prinzip einer elektronischen Versorgungsakte möglich.
Ziel des Projektes ist mit Hilfe von Telemedizin
• die haus- und fachärztliche Versorgung von Pflegebedürftigen zu optimieren,
• Hausbesuche besser vorbereiten zu können,
• Fahrten zu entfernt gelegenen (Facharzt-) Praxen zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren,
• Krankenhauseinweisungen zu reduzieren und
• die Verschreibung von Medikamenten zu optimieren.
Während der Laufzeit werden unter anderem die entsprechenden Lösungen zur Vernetzung entwickelt beziehungsweise adaptiert und die Prozesse erprobt und evaluiert. Außerdem werden Schulungen für am
Projekt beteiligte Pflegekräfte und Ärzte durchgeführt, um eine optimale Implementierung der Prozesse zu gewährleisten. Es werden alle für die Durchführung des Projektes relevanten
datenschutzrechtlichen Normen und Vorschriften berücksichtigt und gemäß dem vorliegenden Datenschutzkonzept verfahren. Zielgruppe des Projektes sind stationär betreute Pflegebedürftige.
Projektteilnehmer:
Träger - Regionales Praxisnetz GO-IN Gesundheitsorganisation Region Ingolstadt e.V.
Evaluator – Technische Hochschule Deggendorf - Fakultät Angewandte Gesundheitswissenschaften
Stationäre Einrichtungen:
Diakonie Ingolstadt - Bienengarten
Novita Seniorenzentren - Baar-Ebenhausen, Hohenwart und Reichertshofen
Heilig Geist Spital Stiftung Ingolstadt
Kreis Alten- und Pflegeheim Steingriff
Kreiskrankenhaus Schrobenhausen - Pflegestation
Förderer:
Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
Projektleiter und Ansprechpartner:
Manuel Hahn
Regionales Praxisnetz GO-IN Gesundheitsorganisation Region Ingolstadt e.V.
Oberer Grasweg 50
85055 Ingolstadt
Tel.: +49 (0) 841 / 88668 - 25
Fax: +49 (0) 841 / 88668 - 18
manuel.hahn@go-in-ingolstadt.de
(Sektorenübergreifende Pflegeakte zur effizienten und effektiven Pflegedokumentation und Versorgung)
Hintergrund und Zielsetzung
Derzeit leben über 2,6 Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland, davon werden ca. 800. 000 in stationären Einrichtungen versorgt (1). Neben dem
demographischen Wandel ist der medizinisch-technische Fortschritt ausschlaggebend dafür, dass sich die Zahl Pflegebedürftiger bis zum Jahr 2050 auf ca. 5 Millionen nahezu verdoppeln wird
(2). Daneben nimmt insbesondere die Zahl älterer multimorbider Menschen zu. Die Multimorbidität bedingt oftmals eine Multimedikation, woraus nicht
zuletzt ein erhöhter Versorgungsaufwand resultiert (3). Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen für die Gesundheitsversorgung der Gegenwart und der
Zukunft gilt es über nachhaltige und zukunftsfeste Versorgungs- und Pflegestrukturen nachzudenken. Insbesondere gilt es die Gesundheitsversorgung von ländlichen Gebieten mit einer zu
verzeichnenden rückläufigen Zahl von Allgemein- und Fachärzten sicherzustellen. Die Digitalisierung und Technisierung in der Pflege wird vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft auf
der einen Seite und dem Mangel an Fachkräften auf der anderen Seite als ein möglicher Lösungsansatz zur Verbesserung der Versorgungsqualität erachtet. Dem Einsatz von Telemedizin wird in diesem
Kontext eine entscheidende Bedeutung zugeschrieben. Als Lösungsansatz für Versorgungsengpässe in der Pflege, vor allem in ländlichen Regionen, können daraus verschiedene Konzepte abgeleitet
werden.
Das vom Bayerischen Gesundheits- und Pflegeministerium geförderte Projekt „Sektorenübergreifende Pflegeakte zur effizienten und effektiven Pflegedokumentation und Versorgung“ (SPeed) ermöglicht
eine bessere intersektorale Zusammenarbeit durch die Vernetzung von stationären Einrichtungen, wie Alten- und Pflegeheimen, mit niedergelassenen Ärzten. Das Ingolstädter Praxisnetz GO IN ist
Träger des Projekts, welches bislang in der Region 10 (Ingolstadt, Eichstätt, Pfaffenhofen, Neuburg-Schrobenhausen) durchgeführt wurde. Durch eine Vernetzung mittels sektorenübergreifender,
digitaler Pflegeakte, können sich an der Pflege beteiligte Ärzte regelmäßig über den Gesundheitszustand und die Medikation ihrer stationär betreuten Patienten informieren und den Pflegekräften
Hinweise zur Versorgung geben (Abb. 1) (4) . Dabei erhält der Arzt Mittels einer Remote Desktop Lösung (VPN) Zugriff auf die Pflegedokumentation im
Pflegeheim (Abb. 2). Neben dem heiminternen Mailsystem und der ärztlichen Kommunikation werden dadurch der Informationszugang zu den Diagnosen, der Dauer- und Bedarfsmedikation, den Vitaldaten
sowie den Sturz- und Wundprotokollen ermöglicht. Beispielsweise ermöglicht die Einsicht in den vollständigen Medikationsplan dem behandelnden Arzt Medikamente abzugleichen und auf ein notwendiges
Minimum zu reduzieren. Der zeit- und ortsunabhängige Zugriff auf die digitale Pflegedokumentation ermöglicht folglich einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes vorzubeugen. Ziel des
Projekts ist es mit Hilfe von Telemedizin
• Eine adäquate medizinische Versorgung der Pflegeheimbewohner sicherzustellen,
• die Kommunikation zwischen Arzt/Apotheker und Pflegepersonal zu verbessern,
• Hausbesuche besser vorbereiten zu können und
• die Verschreibung von Medikamenten zu optimieren
Methode
Im Zeitraum von August 2016 bis Dezember 2017 beteiligten sich 19 Ärzte und sieben Pflegeheime in Ingolstadt und Umgebung mit insgesamt 250 Heimbewohnern an dem Projekt. Als Methode für die
Durchführung der Evaluation des Projekts wurde ein standardisierter Fragebogen als quantitatives Messinstrument für die Datenerhebung eigenständig entwickelt und eingesetzt. Ziel war es zu
bewerten, welche Auswirkungen der Einsatz von SPeed auf
• die Kommunikation zwischen Arzt bzw. Apotheker und Pflegefachkräfte,
• die Versorgung der Heimbewohner,
• und den Praxis- bzw. Pflegealltag hat.
Die Auswertung der quantitativen Daten erfolgte anhand von Excel.
Ergebnis und Diskussion
Die Rücklaufquote der Fragebögen der Ärzte betrug 65 % und die der Pflegefachkräfte 90%. Die Evaluation in Hinblick auf die Kommunikation ergab, dass für 60 % der Pflegefachkräfte die
Medikationsanpassung mittels SPeed schneller erfolgt und 43 % gaben an, dass die medizinischen Verordnungen verständlicher sind. Zudem bewerten 54 % der Ärzte den digitalen Medikationsplan als
übersichtlich und vollständig. Über die Sektorengrenze hinweg wird hauptsächlich telefonisch, per Fax, Brief oder auch handschriftlich kommuniziert (5).
Schriftliche Anweisungen in der digitalen Pflegedokumentation ersparen nicht nur zeitintensives Entziffern der kryptisch anmutenden Handschriften, sondern führen auch zu einer erhöhten
Therapiesicherheit auf Seiten der Pflegefachkraft. Damit kann Fehlinformationen und Verlusten von Informationen entgegengewirkt werden. Die Kommunikation zum Apotheker verläuft mithilfe von SPeed
schneller. Dies bestätigen 50 % der Pflegefachkräfte. Dadurch, dass der Apotheker eine Leseberechtigung auf die Dauer- und Bedarfsmedikation innerhalb der digitalen Pflegedokumentation hat, kann
er zum einen Medikamente schneller bereitstellen und zum anderen rechtzeitig bei möglichen Neben- und Wechselwirkungen eingreifen und Alternativen vorschlagen. Die schnellere Anpassung von
Medikamenten durch die Apotheke kann in Folge dessen zu mehr Pflegesicherheit und damit zu mehr Lebensqualität der Heimbewohner führen. Die Vorbereitung der Visite kann nach Aussage von 63 % der
Ärzte optimiert werden. Der direkte und ortsunabhängige Zugriff auf die digitale Pflegeakte ermöglicht dem Arzt sich vorab über den aktuellen gesundheitlichen Zustand und die Medikation seiner
Pflegeheimbewohner zu informieren. 48 % der befragten Pflegekräfte empfinden, dass durch die digitale Vernetzung der Stress im Arbeitsalltag reduziert wird. Eine erleichterte
Informationsübertragung und Kommunikation fördert nicht nur die Kooperation zwischen den Ärzten und dem Pflegepersonal, sondern entlastet auch die Mitarbeiter.
Fazit
Die Arzneimitteltherapiesicherheit bei Senioren, insbesondere im stationären Wohnen, rückt mehr und mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Das gemeinsame Arbeiten aller Akteure
mittels sektorenübergreifender digitaler Pflegeakte ist hier ein großer Schritt zur Steigerung von Effektivität, Transparenz und Sicherheit. In den am Projekt beteiligten Pflegeheimen
betreut ein Arzt im Durchschnitt fünf Patienten. Dies resultiert aufgrund der freien Arztwahl der Pflegeheimbewohner. Die Nutzung einer sektorenübergreifenden digitalen Pflegeakte ist umso
effizienter, je mehr Bewohner durch einen Arzt betreut werden. Die Gründung von Hausarztzentren, in denen eine geringe Anzahl an Ärzten viele Pflegeheimbewohner betreuen, ist daher wünschenswert.
Wichtig ist im Kontext von SPeed klarzustellen, dass der Einsatz von Telemedizin in der Pflege den direkten Arzt - Patienten-Kontakt nicht ersetzen, sondern vielmehr durch die zeitliche
optimierte Abstimmung zwischen Arzt und Pflegekraft die Versorgungsqualität für den Patienten insgesamt optimieren kann. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und Technisierung in
der Pflege ist von elementarer Bedeutung, dass „ein einheitliches Verständnis in Bezug auf die Potentiale und Risiken der Technologien und ihres Einsatzes im Gesundheitswesen geschaffen werden“
muss (6). Für eine erfolgreiche Einführung, Anwendung und Verbreitung neuer Technologien, ist das Vertrauen und das Wissen der Endanwender von großer
Bedeutung (7). Deswegen ist die Aneignung einer „Digital Health literacy“ (Kompetenz im Umgang mit digitalen Arbeitsmitteln) beispielsweise in Form von Fort-
und Weiterbildungen, ausschlaggebend dafür, dass der „digitale Hype“ auch den Pflegesektor erreicht.
Abb. 1: Vernetzung von Hausarzt und Alten- und Pflegeheim durch SPeed Quelle: Zäch (2016)
Abb. 2: Ablauf des Zugriffs auf die Pflegedokumentation Quelle: Regionales Praxisnetz GO IN e.V.
1 Vgl. Statistisches Bundesamt (2018)
2 Vgl. ebd.
3 Vgl. Monitor Versorgungsforschung, Ausgabe 3/2017
4 Vgl. Friese, K. (2015)
5 Vgl. Kempe, L. (2015)
6 Vgl. PwC (2016), S. 165
7 Vgl. ebd.
Literatur
Friese, K. (2015) Praxisnetz GO IN e.V.: Das Kommunikationsportal der GPI, In: Wartezimmermagazin, S. 4-6
Kempe, L. (2015): Elektronische Pflegedokumentation: Sektorengrenzen überwinden, In: Deutsches Ärzteblatt
https://www.aerzteblatt.de/archiv/172871/Elektronische-Pflegedokumentation-Sektorengrenzen-ueberwinden (11.03.20108, 19:45 MEZ)
Pieloth, K., Schweyda, H., Heiler, J.: Herausforderung Multimedikation im Alter, In: „Monitor Versorgungsforschung“ (03/17), S. 8-9
PricewaterhouseCoopers (PwC) (2016): Weiterentwicklung der eHealth-Strategie. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit. PricewaterhouseCoopers
(PwC). Berlin
Statistisches Bundesamt (2018): Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland nach Pflegeart im Zeitraum der Jahre von 2013 bis 2030.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/556688/umfrage/prognostizierte-anzahl-der-pflegebeduerftigen-in-deutschland-nach-pflegeart/ (8.03.20108, 18:45 MEZ)
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